Wie der Vorleser zum Trommeln kam
In der Volksschule sei ich der beste Vorleser gewesen. Doch zu Hause setzte ich mich lieber ans Klavier und übte. Das behielt ich im Internat bei, wo ich das Abitur an einem Musischen Gymnasium in Niederbayern mit Beethovens "Wut über den verlorenen Groschen" abschloss. Der einfühlsame Klavierunterricht, die Chorerfahrungen unter Konrad Ruhland, dem Begründer der Münchner Capella antiqua, und die wunderbaren Männergesänge in der Kapelle des Klosters prägten meine Liebe zur Musik.
Trommeln kannte ich damals noch nicht. Als Kriegsdienstverweigerer kam ich zur Johanniter-Unfallhilfe, fuhr Taxi und immatrikulierte mich für Germanistik und Geschichte.
Meine Liebe zur Musik aber brachte meine Karriere als Lehrer zum Straucheln. Ich ging nach Hamburg, wo ich an der Musikhochschule angenommen wurde. Private Gründe trieben mich nach München zurück.
Hier erwachte der "beste Vorleser" wieder, und ich bewarb mich beim Bayerischen Rundfunk als Sprecher, wo ich bis 1990 als festangestellter Freiberufler arbeitete. Die Musik blieb, ich vertonte Gedichte von Walter Mehring und entwickelte einen Liederabend im Off-Off-Theater. Daraus ergaben sich weitere Projekte, u.a. Sendeaufträge beim BR und anderen Rundfunkanstalten. In einem Mehring-Porträt des Schweizer Fernsehens konnte ich sechs meiner Vertonungen zum Besten geben.
Immer auf der Suche nach dem, was noch in mir wartete, elektrisierte mich irgendwann Santana. Der Sound der Conga, der durch seine heiße Latinmusic blitzte, ließ mich Einzelunterricht an der Conga nehmen.
Kaum gelernt, setzte ich die die Trommeln bei Schülern eines Privatgymnasiums ein, dessen Leiter mir die Chance gab, das Musical "Von Kindern und Kanaken" zum Thema Ausländer zu schreiben. Es war ein wunderbares Gefühl für mich, jede Woche mit einem neuen Song zu den Jugendlichen zu kommen und sie mit meiner Begeisterung anzustecken.
Mehr oder weniger...
Dann eröffnete sich mir Schlag auf Schlag die Welt der Percussion. Ich suchte mir die besten Lehrer: Reinhard Flatischler, Gilson de Assis, Dudu Tucci, Omar Belmonte. Ich tauchte ein in die faszinierende Welt der afrocubanischen und afrobrasilianischen Percussion. Bei einem Studienaufenthalt in Salvador da Bahia sah ich auf der Straße den Blocos zu und schrieb ihre Rhythmen auf.
Zu Hause gründete ich die Sambagruppe Samba Sambuca und verdiente mit Workshops und weiteren Projekten meinen Lebensunterhalt. Ich wollte aber auch verstehen, was es in meinen Kursen mit der Gruppendynamik auf sich hatte. Antwort fand ich 1990 in dem Arbeitskreis Kritische Gestalttherapie. Eine dreijährige gestalttherapeutische Zusatzausbildung begleitet mich bis heute in ihrer fundierten Qualität.

- Workshop in der Toskana 1989
Meine berufliche Tätigkeit weitete sich aus zu Seminaren in Bildungseinrichtungen, Kirchen, Sozialstationen und Firmen. Einer der Höhepunkte war für mich, als ich schon Referent der Musischen Werkwoche in Freising war, ein Konzert zusammen mit dem Organisten Wolfgang Kiechle im Dom mit einem von Peter Wittrich komponierten Werk für Orgel und fünf Congas.
In dieser Zeit entdeckte ich auch die faszinierende Möglichkeit, Congamuster auf das Klavier zu übertragen, wodurch ganz eigenwillige Stücke entstanden, die ich auf meiner ersten CD "Es wird Zeit" veröffentlichte und auf Konzerten mit der Formation "Eberhard Adamzig and Friends" vor Publikum spielte und spiele.
In den 90iger Jahren schrieb ich zwei Musicals für das Gymnasium Geretsried. 2005 stieß ich zu der Zirkusschule Windspiel, deren Circle-drum-facilitator ich seitdem bin. Seit dieser Zeit unterstütze ich auch die Stiftung Wings of Hope als Filmkomponist und Kommentarsprecher. Außerdem leite ich seit 2011 ein Kreativorchester bei der Münchner Volkshochschule.
Ich bin zunehmend erstaunt, wie sich mein Weg als Musiker und Musikpädagoge entwickelt hat, und bin noch immer neugierig darauf, wie sich der einst beste Vorleser mit ganz unterschiedlichen Menschen trifft, um mit ihnen das Trommeln und die Musik in intensiven Augenblicken des Glücks zu erleben.
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